Im Tierreich ist es bei allen Taxa üblich, dass die Nahrungssuche nicht nur als Individuum, sondern in einer Gruppe erfolgt. Tiere gehen beispielsweise gemeinsam auf Jagd oder verlassen sich auf das Wissen anderer Individuen, um Nahrung zu finden. Diese sogenannte soziale Nahrungssuche bringt vermutlich Vorteile für die Tiere mit sich, etwa dass sie über mehr und größere Beutetiere in kürzerer Zeit verfügen können. Viele artspezifische Mechanismen im Verhalten und in der Kommunikation sowie die Anreize, Vorteile und möglichen Nachteile für die Individuen werden jedoch noch erforscht. Im Rahmen von GAIA erforschen die Wissenschaftler*innen die sozialen Strategien zur Nahrungssuche von Weißrückengeiern.
Die wichtigen Ökosystemfunktionen, die Geier zum Beispiel in der afrikanischen Savanne erfüllen, sind nur mit einer gut entwickelten Strategie möglich, um anderen Individuen den Standort von Nahrung zu signalisieren. Nachdem der erste Geier einen Kadaver geortet hat, schließen sich andere in kürzester Zeit an und bilden beim Fressen große Gruppen, was sie zu einer äußerst effizienten natürlichen Putzkolonne macht, die beispielsweise die Ausbreitung von Wildtierkrankheiten begrenzt. Es ist jedoch noch nicht vollständig geklärt, wie genau Geier dies als Gruppe erreichen, wie sie soziale Informationen austauschen und wie sie ihr Verhalten abstimmen.
Ziel dieses Forschungsbereichs der GAIA-Initiative ist es zu untersuchen, ob und wie Weißrückengeier soziale Informationen nutzen, wie sich die Dichte der Individuen auf den Umfang der von ihnen genutzten sozialen Informationen auswirkt und welche Kommunikationsmechanismen sie bei der Nahrungssuche einsetzen. Dazu gehört auch die Bewertung möglicher Nachteile der Nutzung sozialer Informationen (z. B. Konkurrenz um Ressourcen) und die Erforschung der innerartlichen Kommunikation und Interaktion, beispielsweise mit Löwen oder Hyänen, die mit der Nahrungssuche verbunden ist.
Die gewonnenen Erkenntnisse über die soziale Nahrungssuche und das Flugverhalten werden bei der Entscheidungsfindung über das Design und die Funktionalität der neuen GAIA-Tiersender helfen. Auf der anderen Seite ist diese GAIA-Forschung in hohem Maße von den Fortschritten des Teams bei der KI-basierten Verhaltensklassifizierung und Kadavererkennung abhängig. Nicht zuletzt inspiriert das Verständnis von Geierschwärmen und intraspezifischen Interaktionen die Konzepte virtueller, intelligenter Schwärme von Mikroprozessoren im geförderten Projekt „SyNaKI“ – eine weitere Entwicklungsstufe, die in Zukunft auf den GAIA-Tiersendern implementiert werden soll.