Schwarmintelligenz ist ein erstaunliches Phänomen: Egal ob bei Vögeln, Fischen oder Ameisen, Schwärme funktionieren nach bestimmten Regeln, an die sich alle Mitglieder des Schwarms halten. Dadurch entstehen Synergien, durch die das Kollektiv intelligenter agiert als die Summe seiner Mitglieder. So können situationsabhängige Entscheidungen, wie Flucht oder Kampf, gemeinsam getroffen und entsprechende Handlungen eingeleitet werden.
Analog zur natürlichen Schwarmintelligenz wird im Rahmen der GAIA-Initiative eine digitale Schwarmintelligenz in einem Ad-hoc-Netzwerk von Mikroprozessoren abgebildet. Diese sich spontan bildenden Netzwerke sind das Fundament für eine verteilte und sensornahe Auswertung von großen Datenmengen.
Die digitale Schwarmintelligenz dient dazu, das Schwarmverhalten gezielt zu klassifizieren. Als Basis werden reale biometrische Messdaten einzelner Tiere genutzt, die mit Hilfe verteilter Tiersender innerhalb einer Artengemeinschaft gewonnen werden. Die Künstliche Intelligenz, die die Messdaten verarbeitet, kann dabei zusätzliche Informationen aus dem Schwarm generieren, die der Auswertung einzelner Tiersender weitaus überlegen ist.
Das selbstorganisierte Ad-hoc-Netzwerk in der Extreme Edge schafft die Grundlage für eine virtuelle Rechenplattform, auf der wechselnde Machine-Learning-Modelle (ML-Modelle) ausgeführt und die Informationen einzelner Schwarmteilnehmer lokal koordiniert werden können. Das Besondere an dem Netzwerk ist seine Fähigkeit autark zu agieren, die Verbindung einzelner Funkknoten innerhalb des Netzes zu gewährleisten und die gesammelten Messdaten zur Verfügung zu stellen. Herausfordernd ist hier insbesondere die Volatilität der Tierschwärme: Denn die virtuelle Rechenplattform muss auch dann stabil bleiben, wenn einzelne Tiere das Ad-hoc-Netzwerk verlassen, weil sie beispielsweise in ein anderes Gebiet ziehen.
Um das Potenzial und die Vorteile moderner ML-Modelle optimal nutzen zu können, ist eine Mindestgröße der verbauten Hardware notwendig. Allerdings dürfen Kleintiere nur ein geringes Maß ihres eigenen Körpergewichts tragen. Deshalb bedarf es einer starken Limitierung der Tiersenderhardware. Denn je größer die Batterie, desto schwerer ist sie. Um dem entgegenzuwirken, werden die komplexen Algorithmen nicht zentral auf einem einzelnen, sondern verteilt auf mehreren Endnutzergeräten im Umkreis der Extreme Edge prozessiert. Dafür wird die Künstliche Intelligenz anhand der verfügbaren Hardware aufgeteilt. Anschließend werden die komplexen Rechenprozesse mit Hilfe einer fließbandähnlichen Architektur, dem sogenannten Pipelining, dynamisch und sequenziell auf die einzelnen Tiere im Feld zugewiesen. So entstehen in einem automatisierbaren Prozess aus einem trainierten ML-Modell mehrere Mikromodelle, deren Rechenanforderung von den einzelnen IoT-Teilnehmern effizient realisierbar ist. Die Algorithmen werden also nicht zentral auf einem einzelnen, sondern verteilt auf mehrere, im Schwarm verfügbare Tiersender verarbeitet, wodurch das Gewicht der Tags deutlich reduziert werden kann.
Im Projekt »SyNaKI« (Synergie natürlicher und Künstlicher Intelligenz im Schwarm) wird die digitale Schwarmintelligenz am Beispiel von Geiern im artübergreifenden Verbund mit Landsäugetieren entwickelt. Das Projekt steht unter der Leitung von Felix Kreyß, Gruppenleiter Embedded Systems am Fraunhofer IIS. Gemeinsam mit seinem Team rund um Torsten Ohlenforst, Moritz Thome, Manuel Schrauth und Maik Bauer arbeitet er an der Abbildung der natürlichen Schwarmintelligenz in digitalen Netzen.